Woher kommt der Name „Schmittenhöhe“?
„Schmittenhöhe?! – nanu, ist das versehentlich aus dem Fach Alpenverein hierher gerutscht?“
Nein, doch nicht. Zwar der Baedeker, Andreas Atlas, Meyers Lexikon, Brockhaus sie alle kennen nur die Schmittenhöhe, die über Zell am See gebietet. Aber sie hat eine weiniger hochgeborene Schwester in Kalkriese. Bitte ja, so und nicht anders schreibt sich das Nest. Obwohl nämlich von unsern Zeitgenossen aus anderen Breiten manches Kalbwiese oder Kalkriede auf Briefen dafür eingesetzt wird.
„Kalkrieser Berg“ heißt auf den Karten die bei dem Gute Barenaue weit nach Norden vorspringende Verlagerung vor der Hauptkette des Wiehengebirges, und als ihre höchste Erhebung findet sich eingezeichnet: „Schmittenhöhe – 157m“.
Untersuchen wir einmal, wie es um ihren Taufschein steht, so ergibt sich folgendes:
Eine besondere Benennung ist dem Volksmunde nicht geläufig. Allenfalls „im großen Berge“ bekäme der Fragende etwa zur Antwort. Die Flurkarte von 1872 bezeichnet das in Rede stehende Gelände als „Hohe Kalkriese“; das Femininum nicht auffassend spricht der Vermessungsbeamte dabei z.B. ferner vom Weg „am“ hohen Kalkriese, was richtiger „an der“ hohen Kalkriese zu lauten hätte. Plattdeutsche Auskunft sagt nämlich nie, man wohne „in“ Kalkriese, sondern stets „uppe Kalkreese“. Ganz im Einklang hiermit gibt Jellinghaus die wohl endgültige Deutung des Namens Kalkresse = die Kalkröste.
Wie ist nun jener Berggipfel zum Namen „Schmittenhöhe“ gekommen?
Als in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts einmal der Besitzer des Gutes Barenaue das Bad Kissingen gebrauchen musste, wurde ihm vom Arzt als Nachkur ausgiebige körperliche Arbeit angeraten. Reichliche Bewegung verschaffte ihm nun ohnehin jahraus jahrein die Überwachung mancherlei Arbeiten in seinen ausgedehnten Forsten. Wild war’s auf den wilden Höhen im Kalkrieser Berge gewesen, als das Gut dort aus der Markenteilung seine ansehnlich große Abfindung zugewiesen erhielt. Aus Abtrieb und Aufforstung erstand dem Berge dann das neue Gewand, in welchem er jetzt Auge und Herz des Wanderers, wie des Forstwirts erfreut.
Die heutige „Schmittenhöhe“, damals noch freien Ausblick gewährend, schien dem Erblanddrosten Hugo v. Bar ein geeigneter Platz, dem Rat seines Arztes nachzuleben. Architektonisch – mathematisch ist der Zuschnitt des Planes, wie er ihn sich für seine Arbeit erdacht hat. Erdmassen beginnt er auszugraben, die er in 20m Entfernung wieder zu einem Haufen auftürmt. Das Gesundheitsfördernde der Arbeit verspürt er bald. Die folgenden Jahre schon kann sie ihm als Ersatz für Kissingen die Reise dorthin ersparen. Ist doch sogar Steinbrucharbeit von dem einsam sich mühenden Kärrner zu vollbringen. Viele Jahre sind ins Land gegangen, als er das Werk vollendet nennen kann.
Der Trichter der Grube, wie er sie auswarf, hat 10m Durchmesser und 5m Tiefe erreicht. Hineingeschnitten in die Böschung steigt der schmale Pfad für die Schiebkarre in Schneckenwindungen vom Grunde empor. Ähnlich windet er sich, durch Steinpackung befestigt, zur Spitze des Erdkegels hinauf, der fast die gleichen Maße hält. Das eine stellt, körperlich gesehen, die stereometrische Umkehrung des anderen dar, als noch nicht Abbröckelung und Einsturz die Form zerstört hat.
Mittlerweise ist das Jahr 1895 herangekommen; es sieht die Beamten der kartographischen Landesaufnahme mit ihrem Messtisch das Gelände durchstreifen. Auf Barenaue ist der leitende Offizier einquartiert. Einmal dreht sich bei der Tafel auch die Unterhaltung um jene Höhe. Wie Grube und Kegel entstanden seien, muss der Gastgeber erzählen.
Der Offizier fragt: „Sagen Sie bitte, Herr Erblanddrost, hat der Berg einen besonderen Namen?“ Antwort: „Nein, das nicht. Aber, als ich dort arbeitete, hat mein Töchterchen Mia mir immer das Frühstück heraufgebracht und auf der Höhe mir manche Stunde Gesellschaft geleistet. Sie hieß bei uns mit Kosenamen „Schmidt“ und daher haben wir in meiner Familie immer den Berg die „Schmittenhöhe“ genannt!“
Laune des Offiziers hat damals die Sache „amtlich“ werden lassen, indem er den Namen in die Karte eintrug. Bei dem Taufakt selber mag den Barenauer Erblanddrosten (+ 1918) die Erinnerung an den Berggipfel bei Zell am See geleitet haben. Aber in einem Punkte ist inzwischen der Vergleich hinkend geworden, indem nämlich die Kalkrieser Schmittenhöhe einen Rundblick nicht mehr bietet.
W. Fisse-Niewedde, Kalkriese